2015 – Susanne Wenger

GanzjährigWenger01

Ölbilder, Fotos von

Susanne Wenger

Geboren 1915 in Graz
gestorben 2009 in Oshogbo, Nigerien

Biografische Skizzen

Susanne Wenger wurde als Tochter schweiz-österreichischer Eltern geboren, besuchte in Graz die Kunstgewerbeschule und die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt und studierte anschließend an der Akademie der bildenden Künste Wien Malerei, unter anderem bei Herbert Boeckl.[1]

Ab 1946 war Wenger Mitarbeiterin der kommunistischen Kinderzeitschrift „Unsere Zeitung“, deren Titelbild der Erstausgabe sie gestaltete. Im Jahre 1947 war sie Mitbegründerin des Wiener Art-Clubs. Nach Aufenthalten in Italien und der Schweiz ging sie 1949 nach Paris, wo sie ihren späteren Ehemann, den Sprachwissenschafter Ulli Beier, kennenlernte. 1950 wanderte das Paar nach Nigeria aus.

Wenger erkrankte in Nigeria an Tuberkulose, wandte sich der einheimischen Yoruba-Religion zu und wurde später eine Yoruba-Priesterin. Sie war Gründerin der archaisch-modernen Kunstschule „New Sacred Art“ und Hüterin des Heiligen Hain der Göttin Osun an den Ufern des Flusses Osun in Oshogbo.[2]. Die dort Ende der 1950er Jahre von ihr zusammen mit lokalen Künstlern geschaffenen Skulpturen gehören seit 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe.[3]
Anfang des Jahres 2009 verstarb Susanne Wenger im Alter von 94 Jahren in Oshogbo.[4]

Wenger-BatikGRAZ
Die dramatischen Ereignisse der europäischen Geschichte der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts beeinflussten Susanne Wengers Leben einschneidend. Sie wurde am 4. Juli 1915, während der erste Weltkrieg tobte und das österreich-ungarische Imperium noch bestand, in Graz geboren. Ihr Vater war Berner Bürger und unterrichtete englisch und französisch in einem Grazer Gymnasium, ihre Mutter war die Tochter eines hohen k.u.k. österreichischen Offiziers aus polnischer Garnison. Sie besuchte in Graz die Volksschule und fand später Aufnahme in die Kunstgewerbeschule, wo sie sich vorwiegend mit Keramik beschäftigte. Schon damals fühlte sie sich zur Natur, und im Besonderen zu Bäumen, welche für sie ein Sinnbild des Göttlichen darstellten, stark hingezogen.

WIEN
Später in der Metropole Wien, auf dem Wege Künstlerin zu werden, blieben diese frühen Seelenverwandtschaften für sie von bleibender Wichtigkeit. 1933-1935 studierte sie an der Wiener Kunstakademie in der Meisterklasse für Freskomalerei bei Prof. Andre, bei Prof. Boeckl setzte sie ihr Studium fort. Im von der Nazi-Barbarei erschütterten Wien, als viele ihrer Freunde verfolgt wurden und sie als „entartete“ Künstlerin in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte, rettet sie nur ihr Schweizer Pass vor dem Arbeitslager.1946 war sie dabei, als der berühmte Wiener Art Club gegründet wurde. Innerlich löste sie sich jedoch allmählich von Wien, um wie sie später äußert: „der Gefahr des Selbstgenügens“ zu entgehen.

Wenger-DasBegräbnisderJägerROM – ZÜRICH – PARIS
Sie reiste nach Rom, Sizilien und später nach Zürich, wo sie in der Galerie „Des Eaux Vives“ mit einigen der berühmtesten Künstler der damaligen Zeit, wie Hans Arp, Sophie Taeuber, Piet Mondrian und Paul Klee ausstellte. 1949 beschloss Susanne Wenger nach Paris zu gehen. Die damals fünfunddreißigjährige Künstlerin, auf dem Wege zum Erfolg, traf in Paris eine folgenschwere Entscheidung, welche ihr Leben in völlig neue Bahnen lenkte. Sie begegnete dem Sprachforscher Ulli Beier, der wegen eines Projektes mit behinderten Kindern in Paris weilte, heiratete ihn und beschloss, mit ihm Europa hinter sich zu lassen und nach Afrika aufzubrechen. Ein Platz inmitten des Stammesgebietes der Yoruba hatte schicksalshaft auf sie gewartet, ein Platz der ihr die ultimative Selbstfindung und Selbstverwirklichung brachte und dadurch eine der außergewöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten reifen ließ.

 

 

AUFBRUCH NACH AFRIKA – IBADAN
Anfang 1951, auf einer der Reisen weiter ins Landesinnere, in Jebba, am Niger, nördlich des Yoruba-Territoriums, wo die Regenwaldzone schon längst einer steppenartigen Landschaft gewichen ist, warf eine schwere Lungentuberkulose Susanne Wenger für vierzehn Monate aufs Krankenbett. Während der Krankheit versuchte sie sich durch das Lesen anthropologischer Bücher ein Bild der Yoruba-Kultur zu machen, berichtet Ulli Beier. Sie malte auf kleinen Holztafeln Ölbilder auf denen Menschen, Tiere und Götter und die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft eine wichtige Rolle spielten. Die Mythen sämtlicher Völker und Zeiten vermischten sich in diesen Bildern zu einem wilden Epos von Schöpfung, Tod, Opfer und Wiedergeburt. Nach ihrer Heilung und einer Europareise 1952, zog sie in die Kleinstadt Ede. Dort konnte sie sich von der schweren Krankheit, die sie fast getötet hätte weiter erholen und das Tor zu neuen Räumen ihres Bewusstseins öffnen. Susanne Wenger spricht später von ihrer „Initiationskrankheit“, einem in der Literatur über Schamanismus weltweit nachgewiesenen „Einstiegsphänomen“.

Nach letztlich zehn Jahren extrem aufregender initiatorischer Erlebnisse und der erforderlichen und unvermeidlichen Isolation, hat Susanne Wenger sich immer stärker ins soziale Leben der Yoruba integriert. Sie trat mit den wichtigsten Repräsentanten der Yorubakulte in Verbindung, so auch mit der Iya (Mutter) Shango, einer Tante des Stadtkönigs Timi von Ede und Priesterin des Donnergottes Shango. Diese initiierte sie in die spirituelle Geheimgesellschaft Ogboni, welche auf einen uralten Erdkult zurückgeht. Susanne Wenger sollte fünfzehn Jahre später, in Oshogbo eine dreischiffige, außen und innen reich skulpturierte Ritual-Halle am Iledi Ontotoo, das Ogboni-Kulthaus, eines ihrer architektonischen Hauptwerke, errichten.

In den folgenden Jahren konnte die Künstlerin ihr geistiges Gleichgewicht nur dadurch erhalten, dass sie das religiöse Erlebnis, das „metaphysische Abenteuer“, immer sofort in schöpferische Tätigkeit umsetzte. Die Ölbilder, die sie in diesen Jahren malte, waren von einer fast unerträglichen Intensität. Sie stellen energiegeladene Rituale dar und sind mit einer beinahe wilden Spachteltechnik in düster leuchtenden Farben ausgeführt. In diesen Bildern lassen sich die seelischen Spannungen jener Jahre deutlich ablesen. Die Initiation, die sich über Jahre erstreckt, wurde zwar nicht wie das früher einmal der Fall war, in der totalen Abgeschiedenheit eines Initiationshauses vollzogen, doch musste Susanne Wenger jahrelang in einer geistigen und seelischen Isolation leben. Europäische Besucher empfing sie in dieser Zeit praktisch nicht mehr.

1955 – 1956 Susanne Wenger zieht mit Ulli Beier nach Ilobu, um sich von den anstrengenden Initiationen zu erholen.
Sie beginnt mit großen Adiré-Batiken, die später in London gezeigt werden.
1956 – 1957 Umzug nach Oshogbo und Initiation als Priesterin des Shonponna Kultes.
1958 – 1959 Restaurierung des verfallenen Schreines „Idi Baba“ und Beginn der Bauarbeiten und Restaurierungen in den Heiligen Hainen von Oshogbo. Erste Zusammenarbeit mit Adebisi Akanji, dem kongenialen Partner bei der Arbeit an den Schreinen.
1958 – 2004 neben der Restaurierung und dem Wiederaufbau entstehen eigene Architekturen und Skulpturen der Künstlerin in den Heiligen Hainen von Oshogbo. Sie baut Mauerskulpturen, rituelle Tore und Schreine: Obatala Ontotoo, Alajere, Iledi Ontotoo, Ile Iyemovo Ayana, Schildkrötentor, Ebu Iya Moopo, Ajagemo Tor, die Monumental-Schrein Skulpturen Iya Moopo‚ Ela und Alajere, die Fluss-Tempel Oshun Busseyin und Laokonkoa. Weiters beginnt sie mit der „unendlichen“ Monumental-Skulptur Odu am Oshun Fluss.
1960 – 1963 Mitgliedschaft im Ogboni-Geheimbund, Sympathisantin der anti-kolonialistischen Kräfte und Aktivitäten zur Rettung der Yoruba Religion. Sie adoptiert Kinder von wichtigen Yorubaprietern um sie vor den Aktivitäten von Missionaren zu schützen.
In Oshogbo lebt sie in einem Haus im “brasilianischen“ Stil in mit den Familien ihrer hochinitiierten „Priesterinnen-Töchter und Priester-Söhne“  mit starker Einbezogenheit in die Yoruba Religion.
1965 Gründung der Künstlergruppe „New Sacred Art“ mit Künstlern und Handwerken aus Oshogbo. Beginn ihrer Arbeit an den großen textilen Batiken in der von ihr entwickelten Technik des „spontanen Flusses“.
1969 Ausstellung Contemporary African Art, Otis Art Institute, Los Angeles, Kalifornien
1970 Susanne Wenger beschäftigt sich nach zehn Jahren wieder intensiv mit der Ölmalerei
1984 erscheint das Buch „Ein Leben mit den Göttern“ mit Gert Chesi
1985 Susanne Wenger feiert ihren siebzigsten Geburtstag. Ausstellung Künstlerhaus Wien nach 35 jähriger Abwesenheit von Wien (Kurator: Wolfgang Denk) und Verleihung des silbernen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich.
Ab 1985 fanden große monographische Ausstellungen in Europa  und Afrika statt.  1985 Stadtmuseum Graz,
1993 Museum Moderne Kunst Prag, 1993 Iwalewa Haus Bayreuth (Ulli Beier), 1996 Muson Center Lagos u.a.m.
1995 Susanne Wenger. Eine biografische Collage, große Retrospektive anlässlich ihres achtzigsten Geburtstages in der Kunsthalle Krems, Minoritenkirche Stein
2001 bis 2002 Susanne Wenger nimmt an den Ausstellungen „The short century – Independence and Liberation Movements in Africa“ vom nigerianischen documenta XI Chef Okwui Envezor in München, Berlin, Chicago und New York teil.
2001 Ausstellungsbeteiligung „Moderne in dunkler Zeit“ in der Neuen Galerie Graz (Eisenhut /Weibel)
2001 Verleihung des silbernen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst des Landes Niederösterreich durch LR Liese Prokop
2003 Ausstellungsbeteiligung „Mythos Art Club“ in der Kunsthalle Krems (Wolfgang Denk)
2004 Retrospektive „Susanne Wenger. Künstlerin, Olorisha und Aktivistin in Afrika“, Landesmuseum Joanneum, Künstlerhaus
2004 Verleihung des höchsten Ordens des Landes Steiermark durch Landeshauptfrau Klassnig
2004 Ausstellung „Susanne Wenger. An einem heiligen Fluss in Afrika“, Kunsthalle Krems
2004 Verleihung des großen goldenen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich.
2005 Große Feierlichkeiten anlässlich des neunzigsten Geburtstages von Susanne Wenger in Lagos und im Königspalast von Oshogbo.
Großes Fest des Gouverneurs vom Oshun State mit internationalen Gästen und einer tagelangen Berichterstattung in den nigerianischen Medien. Fotodokumentation von Magdalena Frey und Heinz Cibulka, ORF Film von Monica Ladurner.
Susanne Wenger arbeitet bis 2008 als Künstlerin, Philosophin und Sucherin.

Sie stirbt am 12. Jänner 2009 im vierundneunzigsten Lebensjahr in ihrem berühmten Skulpturenhaus in der Ibokun Road von Oshogbo.